Bilder aus 15 Jahren

Michael Ramsauer: SEHR. Ausstellung im Oldenburger Stadtmuseum

Bei Michael Ramsauer geht es zu allererst um Malerei. Betritt man sein Atelier, riecht es nach Ölfarbe, viele Tuben liegen herum, Pinsel, Spachtel und Pigmentpulverdosen nehmen alle Tische in Besitz, unfertige Bilder hängen an der Wand. Ramsauers Werk entwickelt sich ganz aus der Farbe heraus. Es lebt vom Zusammenwirken ihrer unzähligen Nuancen und Valeurs, ihrer Materialität und ihres Vermögens, Gefühle und Vorstellungen zu erwecken. Ramsauer arbeitet auf Leinwand, kraftvoll, leidenschaftlich, impulsiv, prächtig – und für alle Attribute gilt: SEHR. Nun beschert das Oldenburger Stadtmuseum dem gebürtigen Oldenburger die erste museale Einzelausstellung (12. Juni bis 21. August). Rund fünfzig herausragende Werke aus allen Schaffensperioden werden vereint. Das Spektrum ist umfänglich: SEHR. Die Ausstellung zeigt Bilder unterschiedlicher Temperaturen von expressionistischer Farbwucht über altmeisterliche Feinpinselei bis hin zu ungeahnter Reduktion. Wiederkehrende Protagonisten in Ramsauers Bildwelten entstammen dem Götterhimmel der Antike. „Im Mythos sind bereits alle Themen enthalten, die über unsere menschlichen Motive etwas aussagen“, erklärt er dazu. In den tragischen Stoffen der Griechen finden wir anthropologische Grundkonstanten, die als Archetypen bis heute ihre Gültigkeit besitzen. In manchen Gottheiten erkennen wir uns selbst. Der Künstler lässt sie als gläserne Engel heranschweben oder weltlich in Jeans daherkommen. Inspiriert durch einen Artist-in-Residence-Aufenthalt in Seoul (Südkorea) als Gast des Auswärtigen Amts, 2008, entstand eine Reihe urbaner Nachtbilder. Nervös leuchtende Straßenzüge schlängeln sich durch ein Konglomerat von düsteren Wolkenkratzern. Aus der Perspektive eines Hochhausplateaus wird der Blick des Betrachters immer tiefer in den dröhnenden Stadtdschungel gezogen, bis er vor einer Dönerbude zum Halten gebracht wird. Im Kontrast dazu führt Ramsauer uns in paradiesische Gefilde. Im „Frolic-Park“ tollen ein Hund und sein Frauchen über eine sattgrüne Wiese. Kunst kann auch Spaß machen: SEHR. In der Ausführung atmosphärisch leicht, vermitteln die Bilder ein vertrautes Augenblickserlebnis wie ein Schnappschuss vom Sonntagsausflug, wenn sich die Figuren an Uferlandschaften tummeln oder im türkisblauen Meer schwimmen. Im raschen Gestus aufgetragen, findet Ramsauer bei den Taucher-Bildern in Farbe und Textur eine malerische Entsprechung für das Element Wasser als dem Ursprung allen Lebens. Das Motiv ist doppeldeutig. Wenn der Mensch aus den Wellen emporsteigt, wird gleichzeitig der Moment fixiert, in dem die Gestalt durch Farbe konkretisiert und ins Bild gerufen wird. Noch radikaler beschwört Ramsauer die Figur, wenn er sie auf hellem Grund isoliert. Mit pechschwarzer Farbe in dicken Schichten geradezu plastisch modelliert erscheinen die großformatigen Kompositionen überaus wirkmächtig. Bestehen manche Bildnisse zunächst aus Formfetzen, in die es sich hineinzusehen gilt, zeigen andere perfekt geformte Akte. Michael Ramsauer, Jahrgang 1970, studierte von 1991 bis 1995 Kunstgeschichte und klassische ­Archäologie an der Christian Albrecht Universität in Kiel und von 1996 bis 2000 Malerei bei Prof. Jürgen Waller an der Hochschule für Künste in Bremen. 2004 erhielt er den Förderpreis Malerei der Kulturstiftung der Öffentlichen Versicherungen Oldenburg. Ramsauer besitzt ein Atelier in Oldenburg, seit 2007 auch in Berlin. Auf seine umfangreiche Werkschau darf man gespannt sein: SEHR.