„I LOVE YOU“

Ausstellung im Oldenburger Kunstverein zeigt neue Werke von Gerrit Frohne-Brinkmann

Der Künstler ist Förderpreisträger der Kulturstiftung Öffentliche Oldenburg 2017 in der Kategorie Skulptur und Installation. Ab dem 2. September zeigt er seine jüngsten Arbeiten in den Räumen des Oldenburger Kunstvereins: Gerrit Frohne-Brinkmann hat ein Faible für den Zauber der Urzeit, für wissenschaftliche Mythen und kulturelle Phänomene. Eine Vorschau. 

Spätestens seit dem Kinofilm „e-m@il für Dich“ besitzt das globale Netzwerk eine romantische Note. Online-Dating ist ein alltägliches Kommunikationsmittel auf der Suche nach dem perfekten Match. Anzunehmen, dass bei Nachrichten wie „I LOVE YOU“ das Gehirn bei manchen Empfängern aussetzt. Ein Klick und schon ist es passiert. So war es vor 22 Jahren.

Am 4. Mai 2000 löschte ein vermeintlicher Liebesbrief die Daten von über 10 Millionen Computern. „Loveletter“ war ein Computerwurm, der sich nach dem Prinzip eines Kettenbriefs binnen weniger Tage explosionsartig verbreitete. Die Betreffzeile lautete „ILOVEYOU“. Er war der erste Computerwurm, über den in den Massenmedien weltweit berichtet wurde. Der wirtschaftliche Schaden war immens. 

Gerrit Frohne-Brinkmann hat den „Wurm“ aus der Vergessenheit geholt – wie eine historische Reliquie, die für die heutige Welt zwar an Bedeutung verloren hat, aber in der Genealogie unseres technischen Zeitalters festgeschrieben ist. Auf rosarotem Teppich – die Farbe der Liebe –  zeigt seine Installation eine Gruppe von Computer-Towern, die lediglich ein hohles Rauschen von sich geben. Der Künstler hat sie mit dem „ILOVEYOU“-Wurm infiziert. Die Gehäuse stehen gewissermaßen „kopflos“ da – wie unglücklich Verliebte. Dass Sehnsüchte jegliches Virus vergessen machen, zeigen die Infektionszahlen von Covid-19 jeden Tag aufs Neue.

Eine weitere Werkgruppe ist einer vielmehr medizinischen Kreation gewidmet, die einige Jahre zuvor „viral ging“ – selbst wenn es diesen Begriff 1995 so noch nicht gab. In dem Jahr wurde die „Earmouse“ bekannt, die nach seinem Schöpfer Joseph P. Vacanti auch als „Vacanti-Mouse“ bezeichnet wurde. Seinem Forschungsteam war es gelungen, auf dem Rücken von Mäusen Knorpelgewebe in Form einer menschlichen Ohrmuschel zu züchten. Dieses Gewächs konnte keineswegs hören. Es sollte vornehmlich das Potential der Gewebezucht demonstrieren. An diese moderne Frankenstein-Geschichte knüpft Frohne-Brinkmann an, in dem er selbst Ohrenmäuse schafft – aus Keramik und mit Kabelschwänzen versehen. Manche von ihnen sitzen in übergroßen Muscheln, Fantasien von Meeresschnecken, die ihrerseits ein Rauschen von sich geben. 

Der gebürtige Friesoyther studierte von 2009 bis 2015 bei Andreas Slominski und Ceal Floyer an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg. In seiner Ausstellung im OKV wird er mehrere Gattungen zusammenführen: mit dem Einsatz realer Alltagsgegenstände die Objektkunst, die handwerkliche Gestaltung mit Keramik und – um nicht zu viel zu verraten – ein konstruktives Element. In der Gesamtheit bilden die Werke einen Kosmos, innerhalb dessen subtile Verweise erkennbar werden, die bestenfalls neue Assoziationen wecken und alte Glaubenssätze in Frage stellen, sicherlich aber überraschen. 

Eigens für den Kubus, den zentralen Raum im OKV, hat Frohne-Brinkmann eine neue Arbeit konzipiert, die zur Architektur der Ausstellungsräume Bezug nimmt. Inhaltlich wird das „Netz“ eine zentrale Rolle spielen. Anzunehmen, das Frohne-Brinkmann ein Setting entstehen lässt, das einmal mehr seine Vorliebe für kulissenhafte Inszenierungen bezeugen wird. Wir erinnern uns: in der Förderpreisausstellung der Kulturstiftung der Öffentlichen 2017 ließ der Künstler im Stadtmuseum eine halbdunkle Grotte mit Stalaktiten und Stalagmiten entstehen. Ein Jahr zuvor präsentierte er auf der Art Cologne eine Horde Mumien. Zwar waren diese auf den zweiten Blick nur Requisiten aus einem Filmstudio, doch üben derlei „Zeugnisse“ der Weltgeschichte einen unerklärlich schauerlichen auf uns Reiz aus.     

Inzwischen im 21. Jahrhundert angekommen, befinden wir uns in einem Zeitalter, in dem sich der technologische Fortschritt exponentiell beschleunigt. Angesichts dieser Entwicklung erscheint Frohne-Brinkmanns Bezugnahme auf den Computerwurm „ILOVEYOU“ im Jahr 2000, also der „Urzeit“ des Internets, geradezu folgerichtig. Im exponentiellen Zeitalter besitzen 22 Jahre einen anderen Wert als in allen Jahrhunderten zuvor und in eben dieser Geschwindigkeit verdichtet sich das Netz, das es in der Ausstellung zu entdecken gibt. 

Nähre Infos: oldenburger-kunstverein.de