Das Waisenhaus in Varel

Ein Kulturdenkmal von höchstem Rang

Kaum ein anderes Gebäude in Varel vermittelt Geschichte so unmittelbar wie der Waisenstift. 1671 von Graf Anton I. von Aldenburg im Rahmen einer Stiftung errichtet, dient der repräsentative Backsteinbau noch heute seinem Stiftungszweck. Die Fenster sind in die Jahre gekommen und werden jetzt saniert.

Seit 1996 ist das Waisenhaus ein Denkmal von nationalem Rang. Seine Inschrift mit der Jahreszahl „1671“ belegt das Jahr der Fertigstellung des Gebäudes, dessen Rundbogenportal mit dem Wappen von Anton I. gekrönt ist. Die Schrift auf dem Sandsteinband der breitgelagerten Fassade mit den markanten Kreuzstockfenstern lautet: QUID „RETRIBUAM DOMINI AO“ – „Wie soll ich´s dem Herrn vergelten“. 

Mit der Inschrift wollte Graf von Aldenburg, illegitimer Sohn des Grafen Anton Günther, seine Dankbarkeit sowohl gegenüber Gott als auch seinem Vater ausdrücken, da dieser ihn in seinem Testament unter anderem mit der Herrschaft Varel reich bedacht hatte. So reich, dass in der Stiftungsurkunde festgelegt wurde, dass im Heim bis zu 100 Kinder aufzunehmen seien. Dieser Stiftungsgedanke ist das Leitbild des Waisenstifts, das heute als heilpädagogisches Kinderheim dient. 

Das rund 350 Jahre alte Gebäude erfährt in einzelnen Schritten immer wieder eine Sanierung, um nach den umfangreichen Renovierungsarbeiten wieder ein prächtiges Bild abzugeben. Mehrere Förderinstitutionen und private Spender tragen mit starkem finanziellem Engagement zum Erhalt des Baudenkmals bei, um die Fortsetzung der sozialpädagogischen Arbeit in der geschichtsträchtigen Einrichtung zu gewährleisten. „Denkmalpflege öffnet die Augen für das Erbe und das Unverwechselbare unserer Kultur“, betont Varels Bürgermeister Gerd Christian Wagner. 

Bei der Gesamtanlage griffen die Baumeister des Grafen europäische Vorbilder der Palastarchitektur auf und kombinierten den repräsentativen Anspruch Anton I. geschickt mit den zweckmäßigen Erfordernissen des Gebäudes. Die heute dreiflügelige Anlage des Waisenstifts wurde als geschlossene Anlage mit rückwärtigen, um einen Innenhof gruppierten Wirtschaftsgebäuden ausgeführt. Die Landwirtschaft bildete über drei Jahrhunderte hinweg die wirtschaftliche Grundlage des Waisenstifts. Der zentrale Eingangsbereich wurde zur Straße ausgerichtet. Die Seitenflügel ermöglichten die geschlechterspezifische Unterbringung der Waisen. Im östlichen Flügel lag der Schlafsaal der Mädchen, während die Jungen im westlichen Flügel untergebracht waren. Die Kinder erhielten zwei Mahlzeiten am Tag und wurden mit Kleidung, Schuhen und bei Krankheiten auch mit Medikamenten versorgt – so hatte es Anton I. in seinem Stiftungsbrief festgeschrieben. Das im Original erhaltene Dokument gilt als eines der frühesten schriftlichen Zeugnisse von Waisenhausgründungen im deutschsprachigen Raum.

Fotos: BVO Bezirksverband Oldenburg