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Fläche wird Bild
Neue Ausstellung im Franz Radziwill Haus in Dangast ab 11. März 2018
Woran erkennen wir einen „echten Radziwill“? Dieser Frage widmet sich die aktuelle Ausstellung im Dangaster Künstlerhaus. Franz Radziwill (1895 bis1983) gilt als einer der profiliertesten deutschen Maler des 20. Jahrhunderts. Seine Bildsprache ist einzigartig. Sein Umgang mit der Bildfläche unverkennbar.
Aller Anfang der Malerei ist die Fläche.
Zunächst steht der Künstler einer zweidimensionalen Leinwand gegenüber, die er dann in ein Bild verwandelt. In der Renaissance gelang es, mittels Perspektive, Licht und Schatten aus der Fläche einen dreidimensionalen Bildraum zu schaffen. In der Moderne folgte die Abkehr von der illusionistischen Malweise, der Malprozess selbst sollte sichtbar werden. Mit avantgardistischem Anspruch betonte auch der junge Franz Radziwill die Autonomie der Fläche. In seinem Frühwerk wird der Eindruck von Plastizität vermieden, Figuren und Gegenstände werden rhythmisch in Farbflächen integriert.
Nach der Abkehr von der expressiven Bildsprache hob Radziwill die Flächigkeit durch bildparallele Darstellungen hervor, ohne auf Gegenstandstreue zu verzichten. „Das Fenster meines Nachbarn“ ist ein prominentes Beispiel. Im Stil der neuen Sachlichkeit wird eine extreme Hingabe an die Details sichtbar. Die Oberfläche der Klinkerwand verdeutlicht gleichzeitig die Flächigkeit des Mediums Malerei. Verstärkt wird der Eindruck durch das Fenster, das einen Tiefenraum andeutet.
Im Spätwerk fließen flächenbetonende abstrakte Elemente in seine Werke ein. Als nach 1945 künstlerische Strömungen wie Informel, Abstrakter Expressionismus und Konstruktivismus dominierten, die radikal ungegenständlich sind, greift Radziwill Merkmale dieser zeitgenössischen Tendenzen auf. Ab etwa 1950 finden sich eigenartige Schachbrettmuster und Gitterstrukturen in seinen Bildräumen. Im großformatigen Gemälde „Die bunten Felder“ überziehen ein rotes, blaues und gelbes Feld die Darstellung einer Naturlandschaft. In anderen Gemälden dienen Mauern als Fläche für Versatzstücke prominenter abstrakter Kunst. Dabei bediente sich Radziwill der Bildsprache von Wassily Kandinsky bis Jackson Pollock. Ob als Kritik oder Ironie werden Abstraktion und Gegenständlichkeit miteinander konfrontiert und ihre Wirkung auf den Prüfstand gestellt.
In der Ausstellung werden rund 20 ausgewählte Gemälde aus allen Schaffensphasen gezeigt. Die Leihgaben stammen aus Privatbesitz und Museen. Unterschiedliche Sujets, wie Landschaften und Stillleben, vermitteln einen umfassenden Eindruck von Radziwills Malerei. Das Franz Radziwill Haus ist eines der wenigen Künstlerhäuser, die der Öffentlichkeit im Originalzustand zugänglich sind. Nirgends treten die Werke eines Künstlers besser in Erscheinung als am authentischen Ort ihrer Entstehung.
Anlass der aktuellen Ausstellungsreihe ist der 125. Geburtstag des Malers im Jahr 2020. Das engagierte Jubiläumsprojekt umfasst fünf Ausstellungen zu Kontrast, Farbe, Fläche, Raum und Lichtinszenierung. Als dritte Station steht in diesem Jahr die Fläche im Zentrum. Der begleitende Katalog enthält Beiträge von Birgit Denizel, Kay Heymer und Jürgen Weichardt. Im Rahmen der Ausstellung findet ein vielfältiges Veranstaltungsprogramm statt, darunter ein Konzert, eine Lesung, ein Künstlergespräch und ein Vortrag. An jedem ersten Sonntag im Monat wird eine öffentliche Besucherführung angeboten.