Drastisch bis friedlich

Neue Radziwill-Ausstellung im Dangaster Künstlerhaus

„Der Kosmos kann zerstört werden, der Himmel nicht“ – so lautet der Titel eines Gemäldes von Franz Radziwill, der gleichsam die kommende Ausstellung im Dangaster Künstlerhaus überschreibt. Radziwill lässt die Welt auseinander bersten und neue Planeten gebären. Die Zerstörung unserer schützenden Atmosphäre sah der Maler als Folge des vermeintlichen Fortschritts des Menschen, der mit Flugzeugen und Maschinen den Raum erobert. Die Unterscheidung zwischen unserem Kosmos und dem Himmel als allumfassendem „göttlichen Raum“, so Radziwill, wurde ein wesentlicher Bestandteil seiner Malerei. In der Nachkriegszeit nutzte Radziwill den Bildraum vermehrt als Bühne der Begegnung zwischen realer menschlicher Existenz und göttlichen Erscheinungen. Dieser Aspekt seines Schaffens ist Thema der Ausstellung, die am 22. März eröffnet wird. Das Werk von Franz Radziwill (1895 bis 1983) ist überaus facettenreich. Weitreichend bekannt sind sein expressionistisches Frühwerk, die neusachliche Periode und die Annäherung an die Romantik. Nun werden erstmals Gemälde zusammengefasst, die sichtbar von einer spirituellen Haltung zur Natur und einem Glauben an Übersinnliches geprägt sind. Damit erweitert sich die Bildwelt seiner späten Schaffensphase um eine metaphysische Dimension. Phantastische Himmelskörper, Engel und schleierhafte Wesen füllen die Sphäre. Nach zwei erlebten Weltkriegen und dem Tod seiner Frau Johanna Inge im Jahr 1942 widmete sich Radziwill zunehmend religiösen Themen und deutete die erlebte Gegenwart immer wieder im Hinblick auf ein endzeitliches Geschehen aus. Neben drastischen, apokalyptischen Visionen entstanden gleichzeitig Werke wie „Der stille Raum des Winters“, das eine friedliche und hoffnungsvolle Stimmung vermittelt. Stilistisch ist das Motiv an die Schneelandschaften von Caspar David Friedrich angelehnt, der für seine pantheistische Weltanschauung bekannt ist. Wie Friedrich komponierte auch Radziwill seine Bildschöpfung aus Fragmenten verschiedener Vorlagen. Hier sind Ansichten seiner realen Umgebung mit religiösen Bildzeichen verbunden. Der verschneite Küstenstreifen und das Segelboot verorten die Szene in den Nordseeraum. Über dem Strand bewegt sich ein engelhaftes Wesen mit einem goldenen Heiligenschein. Das Firmament gibt durch eine kreisrunde Öffnung eine helle Kugel frei. Darin eingesetzte Elemente erinnern an die Formation der Mondoberfläche, die von der Erde aus gesehen wie ein Gesicht erscheint. Manche Bildtitel Radziwills enthalten Begriffe wie „Gott“ und „Schöpfer“. Dass der Maler christliche Kunst schuf, lässt sich aber keinesfalls sagen. Vielmehr lassen sich seine Werke als Verweis auf die Entmythologisierung unserer Lebenswelt verstehen. Nach dem Sinngehalt unseres Daseins und einer möglichen, dahinter liegenden Wahrheit zu fragen, haben Kunst und Religion gemeinsam. Zur Ausstellung erscheint ein umfangreicher Katalog, der auch Fachbeiträge von Theologen enthält. Darüber hinaus findet ein umfangreiches Begleitprogramm statt – darunter Führungen, ein Künstlergespräch und ein Vortrag von Eugen Drewermann.