Das Fahrrad

Ausstellung zur Alltagskultur und -geschichte zwischen Weser und Ems im Museumsdorf Cloppenburg

„Immer die Radfahrer“. So mancher erinnert sich vielleicht an den Kultfilm der 50er Jahre, in dem eine Truppe alter Jugendfreunde eine Radtour macht. Tatsächlich hatte sich das Fahrrad in der Wirtschaftswunderära längst als Mittel individueller Mobilität etabliert. Waren Fahrräder bis zum Ende des 19. Jahrhunderts noch Spielzeuge für Privilegierte, änderte sich dies zu Beginn des 20. Jahrhunderts schlagartig, als das Fahrrad für jedermann erschwinglich wurde. Zwischen Weser und Ems wurde das Radfahren von der Landbevölkerung schnell entdeckt. Das Zweirad war attraktiv, denn es bot nicht nur eine rasche Fortbewegung, sondern auch Unabhängigkeit vom Postkutschen- und Eisenbahnverkehr. So ist es kein Zufall, dass zu den bedeutenden Sammlungsbeständen des Museumsdorfs Cloppenburg ein Konvolut von rund zweihundert Fahrrädern gehört. Die ältesten Modelle stammen aus den 1870er Jahren. Denn in kaum einer anderen Region Deutschlands spielte das Radfahren so früh und nachhaltig eine Rolle. Fotografien, Zeitungsartikel und Anzeigen in den regionalen Tageszeitungen belegen die rasche Verbreitung des sogenannten „Niederrads“, wie die neuere Form des vorausgegangenen unpraktischen „Hochrades“ genannt wurde. Das erste Fahrrad mit Kettenantrieb des Hinterrads, wie wir es heute kennen, wurde im ausgehenden 19. Jahrhundert entwickelt. Um 1910 gehörte es bereits zum alltäglichen Erscheinungsbild, gerade auch im nordwestlichen Niedersachsen. Zum Fundus des Museums gehört die Sammlung der Cloppenburger Fahrrad-Dynastie Kalkhoff, welche die wichtigsten Entwicklungsschritte in der Geschichte des Fahrrads nachvollziehbar vermittelt. Der im Jahr 1903 geborene Heinrich Kalkhoff war Landbriefträger, als ihm 1919 die Idee kam, sich selbst ein passendes Gefährt zu bauen. Die Sammlung Kalkhoff wird ergänzt durch Markenräder von Firmen wie Adler, Brennabor, Gazelle, Rixe, Wanderer – manche Unternehmen, die später auch Motorräder, Autos oder Lieferwagen herstellten. Letztere folgten schließlich erst auf das Rad, konnten den Drahtesel aber nicht vom Markt verdrängen. Mittlerweile ist das Rad als Fortbewegungsmittel nicht mehr wegzudenken, ganz im Gegenteil, die Attraktivität steigt. Damals zunächst nur von Männern genutzt, brachte die Emanzipation schließlich auch die Frauen aufs Rad. Mit wachsendem ökologischen Bewusstsein und der steigenden Attraktivität alternativer Formen des Reisens wird das Radwegenetz ausgebaut. Das Rad ist heute Teil unserer Kultur. Neben Fahrradmodellen und Werbetafeln zeigt die Ausstellung (Münchhausenscheune im Museumsdorf Cloppenburg, 15. Februar 2015 bis 31. Dezember 2015) zahlreiche Fotografien aus privaten Sammlungen und Fotoalben, die von der Münsterländischen Tageszeitung per Aufruf gesammelt wurden. Das eingegangene Material belegt den hohen Stellenwert, den das Rad besitzt: als Vehikel für den Weg zur Arbeit, als Transportmittel und als Teil aktiver Freizeitbeschäftigung – sowohl für Sonntagsausflüge als auch als Sportinstrument. Begleitend zur Ausstellung wird ein umfangreiches Zusatzprogramm aus Führungen, Diskussionen und Filmvorführungen angeboten.