„Und noch geht es mir gut“

Feldpostenkarten aus dem Ersten Weltkrieg im Schlossmuseum Jever

Vor 100 Jahren brach der Erste Weltkrieg aus. Vielerorts wird an die grausamen Jahre von 1914 bis 1918 erinnert – so auch im Schlossmuseum Jever. Obgleich weit entfernt von den Schlachten, hat die Katastrophe auch in Friesland tiefe Spuren hinterlassen. Zahlreiche Männer wurden an die Front geschickt. Heute, einhundert Jahre später, fällt es schwer, einen direkten Bezug zu den Ereignissen herzustellen, welche die europäische Geschichte so nachhaltig prägten. Als persönliche Korrespondenz ermöglicht die Feldpost einen besonderen Zugang. Unter dem Titel „Und noch geht es mir gut“ werden im Schlossmuseum vom 16. Oktober bis zum 31. März 2015 Postkarten ausgestellt, die von Soldaten aus dem Schützengraben in ihre friesische Heimat versendet wurden. Die Nachrichten an ihre Familien geben Auskunft über die Schicksale einzelner Soldaten und liefern damit ein authentisches Zeugnis vom Kriegsalltag. Ihr Inhalt lässt die Besucher an den alltäglichen Sorgen und Bedürfnissen der Soldaten teilhaben und steht nicht selten im Gegensatz zu den Heeresberichten und der offiziellen Propaganda. Schon vor Ausbruch des Krieges hatten sich Postkarten als beliebtes Kommunikationsmittel etabliert. Schätzungen zufolge wurden während des Ersten Weltkriegs etwa 28 Milliarden Briefe, Päckchen und Karten versendet. Für die Soldaten bot die Feldpost oft die einzige Möglichkeit zur Aufrechterhaltung des Kontakts mit ihren Fami­lien und Freunden. Die Karten konnten in den Lagern an der Front erworben werden. Mancherorts konnte man auch die eigenen Fotografien im entsprechenden Format entwickeln lassen und somit persönliche Erlebnisse schildern. „Manche Motive zeigen den Kriegsalltag, während andere nahezu wie Urlaubs­karten gestaltet sind“, erklärt die Leiterin des Schlossmuseums, Prof. Dr. Antje Sander. Die ausgestellte Post stammt von Soldaten unterschiedlichster Herkunft: zu den Absendern ge­hören ein Offizier, ein Arbeiter aus Wilhelmshaven, ein junger Bauer aus dem Wangerland und ein Sohn eines Manufakturbesitzers aus Varel. Ihre Nachrichten können stellvertretend für viele gelesen werden. Sie zeigen, wie der Krieg in jede Familie aller Gesellschaftsschichten vom Norden bis zum Süden Frieslands eingedrungen ist und gegenwärtig war. Die einzelnen Mitteilungen ermöglichen mitunter verstörende Einblicke in den Alltag der Soldaten. „Das Grauen des Krieges wird beim Lesen der Karten wirklich greifbar und nachvollziehbar“, so Sander. Wenngleich nicht immer direkt über das Kriegsgeschehen geschrieben wurde, steht doch sehr viel zwischen den Zeilen – schließlich wollten die Soldaten ihre Familien zuhause nicht verunsichern. Ein Beispiel ist eine Karte, die Heinz Heeren am 25. August 1917 verfasste: „Geliebte Eltern und Fritz! Erhielt soeben Euer liebes Paket mit den Fettigkeiten samt Schnittäpfeln, habt vielen herzlichen Dank. Noch geht es mir, von kleiner Magenverstimmung abgesehen, sehr gut. Herzliche Grüße, Heinz“. Das in vielen Texten verwendete Wörtchen „noch“ legt nahe, wie präsent den Verfassern die allzeit drohende Gefahr war. Viele Soldaten kehrten aus diesem Krieg nicht zurück. Die Liste der Gefallenen ist erschütternd, und den Familien blieb oft nicht mehr als ihre Briefe oder Karten. Diese wurden von den Angehörigen bis heute liebevoll aufbewahrt – als letzte Erinnerung an ihren Mann, Vater, Sohn oder Freund.