Förder-Projekte
Radnaben und Schinkenrauch
Hofstelle und Stellmacherei Ahrens aus Westerstede im Museumsdorf Cloppenburg
Bei der Suche nach geeigneten Objekten für den Aufbau der Baugruppe „Ammerland“ wurde das Museumsdorf Cloppenburg 2003 auf die Werkstatt der ehemaligen Stellmacherei Ahrens in Westerstede aufmerksam. Eine genauere Untersuchung des Baubestandes ergab nicht nur die Erhaltenswürdigkeit des denkmalgeschützten Nebengebäudes, sondern des gesamten Ensembles.
Denn unter der äußeren Hülle des Haupthauses aus dem Jahre 1907 kam dessen über 400 Jahre altes Kerngerüst zum Vorschein. Daher wurden beide Bauten 2004 sorgfältig dokumentiert, anschließend abgebaut und in das Museumsdorf geschafft, als Sachzeugen einer sich über 500 Jahre erstreckenden Handwerkstradition und Lebensweise. Im September 2005 konnte mit den Vorarbeiten zur Wiedererrichtung der Gebäude als „Baugruppe Ammerland“ begonnen werden. Die langwierigen Restaurierungsarbeiten und Rekonstruktionsmaßnahmen fanden dabei nicht „im Verborgenen“ der Fachwerkstätten, sondern unter größtmöglicher Teilnahme der Museumsbesucher statt. Den Anfang machte der Wiederaufbau der Stellmacherei (Bild oben), die im Jahre 2006 gerichtet und am 6. November 2007 eröffnet wurde. Danach folgte der Aufbau des Haupthauses (Bild unten) - unter anderem mit Unterstützung der Kulturstiftung der Öffentlichen Versicherungen Oldenburg -, der im vergangenen November der Öffentlichkeit übergeben wurde. Handwerke im ländlichen Raum waren bis in die jüngste Vergangenheit stets mit eigener Landwirtschaft verbunden. Das galt auch für die Stellmacherei Ahrens, die Teil einer kleineren Hofstelle, einer sogenannten Köterei, war. Diese lag am Rande, am Wall des Kirchspielorts Westerstede und wurde deshalb als Wallköterei bezeichnet. Ihre Besitzer lassen sich bis zum Jahr 1428 zurückverfolgen und waren bis etwa 1830 stets als Schmiede tätig. Danach wechselte der Hof mehrmals den Besitzer. 1878 wurde er von Hermann Friedrich Bunge erworben. Er starb kurz darauf, und seine Tochter erbte das Anwesen. Sie heiratete 1891 den Stellmacher Ahrens.
Das Haupthaus der Wallköterei war zu dieser Zeit noch immer ein strohgedecktes Fachhallenhaus ohne Schornstein, mit einer Länge von 16,50 Meter und einer Breite von 9,50 Meter. Es war 1566 errichtet und nach einer Generation um ein Gefach verlängert worden. Wie die bauhistorischen Untersuchungen ergaben, blieb es in diesem Zustand, und erst 1891 wurde ein massives Kammerfach errichtet, das eine beheizbare Stube besaß. 1907 erhielt das Gebäude ein neues Dach mit Ziegeleindeckung, und die Außenmauern wurden massiv errichtet. Aber noch immer blieb es ein Rauchhaus, da das Räuchern von Schinken über den Eigenbedarf hinaus eine wichtige Einnahmequelle der Stellmacherfamilie bildete. Mit dem Anbau eines Seitenflügels 1923 ging zwar sein Charakter als schornsteinloses Rauchhaus endgültig verloren, aber auch danach lebten hier Mensch und Vieh unter einem Dach, diente das Haus bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts als Wohn-, Stall-, und Speicherbau.
Spannend verlief auch die Geschichte des Werkstattgebäudes, das bis zu seinem Dachstuhlbrand im Jahre 2003 denkmalgeschützt war und mit seiner Inneneinrichtung ein kulturgeschichtlich besonders wertvolles Ensemble bildete. Schmied und Stellmacher - in Süddeutschland spricht man vom Wagner - stellten die wichtigsten Dorfhandwerker, sie befriedigten den Geräte- und Wagenbedarf für Haus und Landwirtschaft. Als Johann Heinrich Ahrens I (1861-1938) in die Köterstelle einheiratete, tat er dies auch mit dem festen Vorsatz, die vorhandene, erst 1885 errichtete Wagenremise zu einer Stellmacherwerkstatt auszubauen. Das geschah 1892. Danach wurde aufgerüstet, bis sein Sohn Johann Friedrich Ahrens II (1896-1962) die Meisterprüfung als Stellmacher bestand und mit ihm die Werkstatt ab 1924 eine tief greifende Motorisierung und Mechanisierung erfuhr. Bis in die 1950er Jahre bestand auf den ammerländischen Höfen ein hoher Bedarf an handwerklich gefertigten Wagen und Geräten, so dass mit Johann Friedrich Ahrens III (1928-2001) sogar noch die dritte Generation das Stellmacherhandwerk erlernte. Aber in den 1960er Jahren setzte sich auch auf den Ammerländer Höfen eine umfassende Technisierung durch, die dem ländlichen Handwerk die Auftragslage entzog. Im Nebenbetrieb führte J.F. Ahrens die Werkstatt jedoch weiter, so dass Gebäude und Werkzeugbestand weitgehend erhalten blieben.