Aus alt neu machen

Möbelwerkstatt Diedrich Müller in Neuenburg

Als der Tischlermeister Diedrich Müller 1904 in Neuenburg eine Werkstatt errichten ließ, beauftragte er den Baumeister Börjes, eine Flasche im Gebäude zu vermauern. Sie enthielt den handschriftlich verfassten Lebenslauf des Bauherrn. Diesem Schriftstück sind die Beweggründe zur Errichtung der großzügig angelegten Tischlerei zu entnehmen gewesen.

Der in Zetel geborene gelernte Tischler war 37 Jahre alt, als er 1901 auf die Idee kam, historische Möbel aus der oldenburgisch-ostfriesischen Region für den zunehmend lukrativen Antiquitätenmarkt zu restaurieren. Impulsgeber für diesen Gedanken war die Forstratsfrau von Negelein aus Neuenburg; die ersten Abnehmer der restaurierten Möbel waren Marineoffiziere aus Wilhelmshaven. Binnen kürzester Zeit entwickelte sich aus der Landschreinerei ein hoch frequentiertes Möbel- und Antiquitätengeschäft. über den Weg der Wiederherstellung gelang es Müller, das Produkt „Ammerländer und Friesische Möbel„ erfolgreich am Markt zu positionieren. Als schließlich sogar der kaiserliche Hof in Berlin 1903 eine ganze -Eisenbahnwaggonladung alter Schränke und Truhen bestellte, waren eichene Möbel (Antiquitäten und neu gefertigte Stilmöbel) aus Neuenburg reichsweit begehrt. „Ammerländer Möbel„ und „Friesisches Zinngeschirr„ waren so ab 1904 auch in den Wohnstuben süddeutscher Bürgerhäuser zu finden.

In dieser Blütephase ließ Müller das neue Werkstattgebäude erstellen, in dem zeitweise bis zu zwanzig Mitarbeiter - Tischlergesellen, Bildschnitzer, Lehrlinge - tätig waren. Sein Sohn, Wilhelm Müller, führte die Werkstatt, die verkehrsgünstig am benachbarten Bahnhof gelegen war, bis in die 1950er Jahre fort. Sein Enkel, Werner Müller, trug dafür Sorge, dass sie der Nachwelt erhalten blieb und in öffentliche Trägerschaft überführt wurde.

Mit der Entscheidung des privaten Eigentümers, die Werkstatt der ehemaligen Tischlerei in öffentliche Hände zu übergeben, entwickelte sich in der Gemeinde Zetel der Wunsch, das denkmalgeschützte Anwesen kulturellen Zwecken zuzuführen. Neben der Musealisierung des gesamten Anwesens wurde früh über seine Weiterentwicklung zu einem regionalen Zentrum für Holz- und Möbelrestaurierung nachgedacht. Dieser Gedanke war insofern naheliegend, als in den regionalen Museen ein erheblicher Bedarf zur Restaurierung der großen Sammlungsbestände besteht. Ferner knüpft eine solche Facheinrichtung an bestehende Traditionen an, die sich seit dem 18. Jahrhundert in Neuenburg auf dem Gebiet der lokalen Möbelherstellung sowie ab 1900 auf dem Sektor der fachlich versierten Möbelrestaurierung herausgebildet hatten.

Als die Fachhochschule Hildesheim/Holzminden/Göttingen für derartige überlegungen gewonnen werden konnte, war der entscheidende Schritt getan. Ein Planungsteam, zu dem Vertreter der Fachhochschule, der Gemeinde Zetel und des Museumsdorfs Cloppenburg gehörten, entwickelte ein Konzept, das die Grundlage für die Realisierung des zukünftigen Restaurierungszentrums bilden sollte. Nach einer dreijährigen Instandsetzungs- und Einrichtungsphase nahm es seinen Betrieb im Jahr 2010 auf. Zu den Restauratoren zählen heute unter anderem Anja Hänisch und Lars-Erik Böhner (Bilder).

Das Gebäude befindet sich in der Trägerschaft der Gemeinde Zetel. Sie stellt es dem gemeinnützigen Verein „Zentrum für Holz- und Möbelrestaurierung„ zur Verfügung, der es einem fachspezifisch ausgebildeten Restaurierungsteam überlässt. Förderzuwendungen für die übernahme des Gebäudes, seiner Einrichtung und für die ergänzende Fortbildung von Fachhochschulabsolventen stellten insbesondere die Stiftung Niedersachsen und die Kulturstiftung der öffentlichen Versicherungen Oldenburg zur Verfügung, ferner die EDR (Ems-Dollart-Region) im Gemeinschaftsprojekt Winschoten-Zetel, das Land Niedersachsen durch das Ministerium für Wissenschaft und Kultur und die Stiftung Kulturschatz Bauernhof. Die Werkstatt arbeitet heute in eigener Regie.

Weitere Informationen unter www.muellersche-werkstaetten.de