Auf den Spuren vergessener Orte

Kunstwerke erinnern an Kultur- und Wirtschaftsgeschichte im Landkreis Ammerland

Nur noch einige alte Baracken erinnerten bisher in Hahn (Gemeinde Rastede) an die dunkelsten Stunden der deutschen Geschichte. Seit einigen Wochen jedoch mahnen nun eindrucksvoll die Figuren einer Skulpturengruppe an die von Kriegen und Gewaltherrschaft gezeichnete Geschichte der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

„Das waren wir den Opfern von Krieg und Gewaltherrschaft schuldig“, erklärte bei der Vorstellung des Kunstwerks Landtagspräsident a.D. Horst Milde. „Sie alle waren Opfer und nicht Täter und haben uns ein Vermächtnis hinterlassen: Nie wieder Krieg, nie wieder Flucht und Vertreibung.“

Die von dem in Schlesien geborenen und seit langem in Rastede ansässigen Künstler Jochen Kusber gefertigte Arbeit ist das erste von fünf Kunstwerken, die in diesem Jahre in den Gemeinden des Landkreises Ammerland entstehen werden. Sie sollen an Orte erinnern, die für die Geschichte von prägender Bedeutung waren, die heute aber nur noch wenigen bekannt sind.

Träger des Projekts „Vergessene Orte“ ist der Kunstpfad Ammerland, der im Jahre 1998 gegründete Zusammenschluss von Kunst- und Kulturvereinen im Landkreis. Realisiert werden kann das Projekt unter anderem dank der Unterstützung durch die Kulturstiftung der Öffentlichen Versicherungen Oldenburg.

Der „vergessene Orte“ in Hahn erinnert an ein ehemaliges Lager, das zunächst der Unterbringung von Kriegsgefangenen diente und während des 2. Weltkriegs Unterkunft von Hunderten von Zwangsarbeitern war, die vor allem aus Polen stammten. Sie lebten und arbeiteten unter jämmerlichen Bedingungen in Betrieben im Gemeindegebiet. Unter anderem erinnern die Gräber von 191 polnischen Kindern auf dem Rasteder Friedhof an die Schrecken dieser Zeit. Nach Kriegsende 1945 wurde das Lager erster Zufluchtsort für Tausende von Flüchtlingen und Vertriebenen, die aus den Gebieten jenseits von Oder und Neiße in das Ammerland kamen, und schließlich fanden hier bis 1965 Flüchtlinge aus der DDR ein Quartier.

Vier weitere Kunstwerke werden noch in diesem Jahr aufgestellt. In eine Zeit vor rund 5000 Jahren führt ein Kunstwerk der Wiefelstederin Barbara Jaros. Dabei geht es um wirtschaftliche und kulturelle Kontakte quer durch Europa. Eine bronzezeitliche Fibel diente der Künstlerin als Anregung für ihr Kunstwerk, das demnächst in der Wiefelsteder Bauerschaft Wemkendorf zu sehen sein wird.

Auf eine umfangreiche Schiffbau-Tradition erinnern werden Dr. Klaus Groh und Dieter Suhr mit einem Schiffsbug, der einer „Tjalk“, einem traditionellen Binnenschiff der Region, nachempfunden ist. An die Zeit der Industrialisierung erinnert ab August in der Reihe der Kunstwerke eine Arbeit von Alfred Bullermann in Augustfehn. Seine Skulptur wird direkt neben dem noch erhaltenen Kesselhaus des ehemaligen Eisenwerks entstehen. Den Abschluss des Eröffnungsreigens bildet dann im September die Einweihung eines ersten ökumenischen Freiluftaltars. Er wird am Gelände des alten Burgplatzes Mansingen in der Westersteder Bauerschaft Mansie entstehen. Das Kunstwerk der Westersteder Künstler Christel Mandos-Feldmann und Norbert Marten wird an die einstige Bedeutung des Adels für die Entwicklung des ländlichen Raumes erinnern und vor allem dessen Rolle bei der Verbreitung der christlichen Religion deutlich machen.

Mit dem Abschluss des Reigens der Vorstellung von Kunstwerken an diesen Orten werden sie alle keine „vergessenen Orte“ mehr sein und vielleicht dazu ermuntern, nach weiteren solcher Plätze Ausschau zu halten. Ergänzend zu den Kunstwerken wird auch ein Katalog vorgelegt werden, der neben der künstlerischen Würdigung umfangreiche Sachinformationen enthalten wird.