Bilder in begehbaren Konstruktionen arrangiert

Förderpreis der Kulturstiftung der Öffentlichen Versicherungen Oldenburg geht 2016 an Marc von der Hocht

Ist das überhaupt Malerei? Diese provokante Frage stellte Frank Schmidt, Direktor der Bremer Museen Böttcherstraße, bei seiner Laudatio auf Marc von der Hocht, dem Träger des dies­jährigen Förderpreises der Kulturstiftung der Öffentlichen Versicherungen Oldenburg, angesichts der industriellen Anmutung seiner Werke. Aber auch der Preis ist ja nicht unbedingt normal. Die Auszeichnung setzt sich zusammen aus einem Preisgeld von 8.000 Euro, einem Katalog und einer Ausstellung im Stadtmuseum Oldenburg, die noch bis zum 22. Mai läuft. „Mit der Ausrichtung auf eine Einzelausstellung stellt der Preis alljährlich eine konzentrierte und effiziente Förderung dar, von dessen Nachhaltigkeit wir überzeugt sind“, betonte Franz Thole, Vorstandsvorsitzender der „Öffentlichen“, bei der Preisverleihung im Oldenburger Stadtmuseum. Schmidt führte die zahlreich erschienenen Gäste in die Ausstellung ein. Tatsächlich weichen die „Gemälde“ vom klassischen Ölbild ab, weil sie mit jeglichen Materialen gefertigt sind, die unsere heutige Produktpalette hergibt – von knallbunter Sprühfarbe bis hin zu Bootslack. Trotz aller geometrischen Versatzstücke sei seine Malerei aber nicht abstrakt, erklärt der Förderpreisträger selbst. Seine Motive entstammen dem Formenrepertoire unserer urbanen Zivilisation. Vergleichbar mit den natür­lichen Strukturen der Landschaft erkennt von der Hocht in der technisierten Welt eine Syntax, die auf einer Leiterplatine für elektronische Bauteile ebenso zu entdecken ist wie in U-Bahn-Netzplänen. In seinen Collagen versammelt er Ansichten von moderner Architektur und technischer Mechanik, die er in dynamischer Weise kombiniert. Dabei experimentiert von der Hocht mit den unterschiedlichen Materialien, klebt Zeitungsausschnitte neben Plastikfolie und Metallblech. Gleichermaßen verschachtelt entwickelt er auch seine Malerei. Seine Kompositionen entstehen nicht auf der Staffelei, sondern liegen flach auf dem Boden, während der Künstler schichtweise Lack aufbringt, der später in plastischem Glanz brilliert. Eigens der Malgrund, die Leinwand auf dem Keilrahmen, referiert auf die Malerei im traditionellen Sinne. Schließlich, erklärt von der Hocht, sei er klassisch ausgebildeter Maler und als solcher auch beeinflusst von historischen Vorbildern – dem Futurismus und der Dada-Bewegung. Die Collagen der einst provokanten Alltagskunst, die im angehenden 20. Jahrhundert auf Maschinenaffinität, Verstädterung und Temposteigerung reagierte, sind in idealer Weise geeignet, die Hektik und Flüchtigkeit des modernen Lebens zu vermitteln. Das Tempo des Moments ist auch das faszinierende Fluidum in den Werken von der Hochts. Gleichzeitig ist eine Verwandtschaft zu Graffiti überdeutlich. Dichte, Dynamik und die scharfkantig gebrochene Linienführung entstammen der Ästhetik der Straßenkunst. Diese Symbiose von Lack und technoidem Städtebau findet sich in den dreidimensionalen Rauminszenierungen wieder. Es sind begehbare Konstruktionen, in die einzelne Bilder integriert sind und mit den Bauteilen in eine spannende Wechselwirkung treten. Marc von der Hocht wurde 1980 in Wilhelmshaven geboren und begann 2003 ein Architekturstudium an der Technischen Universität in Darmstadt. 2010 legte er das Erste Staatsexamen in den Bereichen Bildende Kunst und Philosophie ab, und schließlich avancierte er in Berlin zum Meisterschüler von Robert Lucander. Der Preis ist für den mithin 36jährigen Wahlberliner „eine großartige Herausforderung, weil ich die Ausstellungsräume selbst gestalten konnte“. Eigens für den Hüppe-Saal im Oldenburger Stadtmuseum schuf er ein großformatiges Triptychon, das er humorvoll nach den Neffen von Donald Duck als „Tick, Trick und Track“ betitelte. Die Drillinge selbst finden wir darin nicht, aber zweifelsfrei sehen wir Malerei