Eigen-Projekte
Literarischer Advent 2024
Unterhaltsame und kenntnisreiche Gesprächsrunde zu Robert Louis Stevenson
Der Literarische Advent, der jährlich im Programm des Oldenburger Literaturhauses stattfindet und von der Kulturstiftung der Öffentlichen Oldenburg gefördert wird, hat längst den Stellenwert einer schönen Tradition. So formulierte es am Abend des 27. Novembers eine Besucherin im Musik- und Literaturhaus Wilhelm13. Obwohl das vorweihnachtliche Format sich gegen Sturmtief Zoltan behaupten musste, trotzten die Gäste Regen und Wind: In Oldenburg hat man wetterfeste Kleidung! Schon vor der Veranstaltung stimmte die Gastronomie des Hauses mit Weihnachtsmusik und alkoholfreiem Punsch auf die beim Publikum beliebte Reihe ein.
Zur Tradition gehört nicht nur die Terminierung der Veranstaltung unmittelbar vor der Adventszeit. Beständig laden die Oldenburger Autoren Klaus Modick und Bernd Eilert, die das erlesene Gesprächsformat gemeinsam mit dem Literaturhaus präsentieren, auch jedes Jahr einen besonderen Gast ein. Traditionell geht es zudem nicht um eigene literarische Veröffentlichungen der Akteure und – anders als in Literaturhausprogrammen üblich – auch nicht um aktuelle Neuerscheinungen. Im Mittelpunkt steht vielmehr jedes Mal das vor längerer Zeit publizierte Werk eines Schriftstellers: Beim Literarischen Advent setzen Eilert, Modick und Literaturhaus gegen die Kurzlebigkeit des Buchmarktes auf die beständige Qualität von Büchern und Werken.
Als Gast komplettierte am 27. November der Anglist, Schriftsteller und Übersetzer Elmar Schenkel das Oldenburger Autorenduo. Von 1993 bis zu seiner Emeritierung im April 2019 war er Professor für britische Literatur an der Universität Leipzig. Als Schriftsteller ist er vor allem durch seine literarisch-essayistischen Schriften und Reiseberichte bekannt. Schenkel gilt als ausgewiesener Experte für das Werk des schottischen Schriftstellers Robert Louis Stevenson, das im Fokus der Veranstaltung stand. Der 1850 in Edinburgh geborene Stevenson litt sein Leben lang unter chronischer Bronchitis. Dass er mit nur 44 Jahren in Vailima, Samoa jedoch an einem Hirnschlag starb, darf als Ironie des Schicksals gelten. Um schreiben zu können nahm er trotz seiner Zulassung als Anwalt keine Fälle an. Stevenson verfasste zahlreiche Werke, darunter Reiseerzählungen, Abenteuerliteratur, historische Romane, Lyrik und Essays.
Weltberühmt wurde der Schriftsteller mit dem Abenteuerroman „Die Schatzinsel“, der von der hindernisreichen Suche nach einem versteckten Piratenschatz erzählt. Klaus Modick gab an, das Buch als 13-jähriger Junge nach einer Augenoperation gelesen zu haben. Des Eingriffs wegen trug er passend zur Geschichte eine Augenklappe. Das andere Auge habe aber lesend einwandfrei funktioniert. Mit dem Roman dürfe Stevenson als Erfinder des Piratengenres gelten, so Modick, mit dem einbeinigen Schiffskoch Long John Silver habe er zudem den Phänotyp des Piraten als Kunstfigur geschaffen.
Auch die Novelle „Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ stammt aus Stevensons Feder. Bernd Eilert machte vor allem an diesem Text das besondere literarische Vermögen des Schriftstellers fest. Gegen den Trend seiner Zeit, das Personal der Texte zu psychologisieren, vermittle er Charakterzüge und Befindlichkeiten seiner Figuren mit erzählerischen Mitteln. Und er verriet, dass die Novelle sich noch interessanter lese, wenn ihre Pointe schon beim Beginn der Lektüre bekannt sei. Das spreche unbedingt dafür, das Buch ein zweites Mal zur Hand zu nehmen.
Passend zum norddeutschen Herbstwetter, das sich am Veranstaltungsabend wenig vorweihnachtlich präsentierte, wies Elmar Schenkel darauf hin, dass raue Wetterphänomene in vielen Texten Stevenson eine Rolle spielen. Das Sturmtief bot also letztlich doch den passenden Rahmen für das kenntnisreich geführte Gespräch, an dessen Ende noch drei persönliche Literaturtipps ausgesprochen wurden:
Bernd Eilert empfahl den Roman „Abgrund“ von Robert Harris, in dem im Sommer 1914 aus einer intimen Affäre eine Angelegenheit der nationalen Sicherheit wird, die den Verlauf der politischen Geschichte verändert (Penguin, 2024). Mit "Vaterland" gelangte der Autor 1992 in die internationalen Bestsellerlisten.
Klaus Modick legte den Besuchern der Veranstaltung Percival Everetts Roman „James“ zur Lektüre nahe (Hanser, 2024). Aus der Perspektive des afroamerikanischen Sklaven Jim, der Huck auf seiner Reise begleitet, erzählt Everett eine neue Geschichte entlang Mark Twains "Huckleberry Finn".
Elmar Schenkel schließlich sprach sich für Antonio Pigafettas Augenzeugenbericht der ersten Weltumseglung aus, der unter dem Titel „Mit Magellan um die Erde“ in der Edition Erdmann veröffentlicht wurde (2023).
Der zur Veranstaltung von Buch Brader bereitgestellte Büchertisch bot nicht nur diese drei Leseempfehlungen, sondern auch die Bücher Robert Louis Stevensons zum Kauf an, die zuvor im Gespräch vorgestellt worden waren.
Monika Eden (als Gastautorin)