Frühling 2019

Die Düsseldorfer Bildhauerin Klara Kayser verwandelt die Vechtaer Klosterkirche in einen meditativen Erlebnisraum. Eigens für das Kirchenschiff hat sie eine mehrteilige Installation geschaffen, die an die wechselvolle Geschichte des Gotteshauses erinnert. Im 18. Jahrhundert von Franziskanermönchen erbaut, erlebte die Kirche zahlreiche Eingriffe. Unter Napoleon wurde ihr das barocke Innenleben entrissen, seither wurde das Bauwerk mehrfach umgestaltet. "Von dem Raum war ich sofort fasziniert", erzählt die Künstlerin von ihrer ersten Begegnung mit der Kirche. "In meinen vorangegangenen Arbeiten habe ich mich immer wieder mit dem Körper befasst. Zuletzt habe ich begonnen, auch ein Gebäude als Körper zu begreifen, der seine Geschichte hat und seine Narben in sich trägt." Diese Narben macht sie stellvertretend in Silikonhäuten sichtbar, die Über Stahlrahmen gespannt in den Wandnischen zu sehen sind. Für den zentralen Mittelgang, der zum Altar führt, entwickelte die Künstlerin eine Bodenarbeit. Der Beginn des Psalms 121, "Ich hebe meine Augen auf", inspirierte sie zu einem mosaikartigen Allover-Rapport von Augen, die in den Himmel hinaufschauen. 

Klara Kaysers Installation in der Franziskanerkirche ist eine stille Arbeit. Sie regt zur Mediation über die Achtung und Beachtung eines jeden Körpers an, der eine Seele in sich trägt - ob Mensch oder Ding. In diesem Fall ein Bauwerk. Narben sind Zeichen von Heilungsprozessen, bleiben dennoch immer als Spuren von Verletzungen sichtbar. Durch die Präsenz der unzähligen Augenpaare wird das Sehen der Kirche mitsamt ihren "Wunden", die ihr durch die Historie beigefügt wurde, sinnlich erfahrbar gemacht. Gleichzeitig weisen die vielen Blicke auf die Kirche als spirituellem Rückzugsort für Heilungsprozesse - auch für die inhaftierten Frauen der anliegenden Justizvollzugsanstalt. Auf Erneuerung und Neubeginn verweist auch der "Frühling" im Ausstellungstitel. Studiert hat Klara Kayser bei dem Fotografen Andreas Gursky und der Bildhauerin Katharina Fritsch. 2017 absolvierte die 32jährige ihren Abschluss an der Kunstakademie Düsseldorf. Sie arbeitet konzeptionell und mit Materialien wie Ton, Stahl und Kunststoff. 

"Schon seit 200 Jahren ist die Klosterkirche eine Simultankirche. Klara Kaysers Ausstellung ist ein wichtiger Beitrag, angemessen an dieses Jubiläum zu erinnern", betont Petra Huckemeyer, stellvertretende Leiterin der Justizanstalt für Frauen und Organisatorin der Ausstellungsreihe "ARTi.G. - Kunst im Gefängnis". Erbaut wurde die Klosterkirche von 1727-31 von rheinischen Franziskanermänchen. Als Vechta von 1810 bis 1814 unter franzäsischem Regiment stand, wurde das Kloster mitsamt der Kirche 1812 von Napoleon aufgeläst. "Das Inventar wurde auf die Bruderschaften und die umliegenden städtischen Kirchen verteilt, einige Wagenladungen gingen auch nach Frankreich", erzählt Huckemeyer. "Die Kirche war damals bekannt für ihre wertvolle Ausstattung. Es muss hier einen barocken Hauptalter, Seitenaltäre und wunderbares Chorgestühle gegeben haben." Nach der Räumung wurde der Konvent - der Wohnbereich des Klosters - in ein Gefängnis umgebaut. Der Abriss der nunmehr leeren Kirche konnte durch den Protest der Vechtaer Protestanten und Katholiken gerade noch verhindert werden. 1818 wurde das Gotteshaus in eine Simultankirche umgewandelt, die bis heute beiden christlichen Konfessionen zur Verfügung steht. In seiner Gestaltung erlebte das Gebäude seither zahlreiche Eingriffe. 1885 musste das inzwischen klassizistische Innenleben einem neugotischen Stil weichen. 1957 und 1986 wurde nochmals renoviert, bis zuletzt in den Jahren 2004-13 die jüngste umfassende Restaurierung stattfand. 

Klara Kaysers Ausstellung ist ein Projekt von "ARTi.G. - Kunst im Gefängnis". Begleitend erscheint eine Publikation mit Beiträgen von Kunsthistoriker Sergey Harutoonian, Psychoanalytiker Prof. Dr. Franz Wellendorf und Pastorin Judith Uhrmeister. Die Eröffnung findet am Samstag, den 9. März von 14 bis 16 Uhr statt. Anschlie§end ist die Ausstellung sonntags von 10 bis 11.30 Uhr zu den Gottesdienstzeiten zu sehen oder auch nach Vereinbarung unter Tel. 04441-9160101.