Die Geister, die sie riefen

Lust- und Alpträume von Johann Heinrich Füssli und Horst Janssen

Wer kennt es nicht, das berühmte Gemälde „Nachtmahr“ von Johann Heinrich Füssli (1741-1825). Mit der Mischung aus Gewalt und Sinnlichkeit schuf der Schweizer Maler 1790 ein Sinn­bild der schwarzen Romantik, das bis heute zitiert wird. Hämisch grinsend hockt ein nächtlicher Dämon in der Magenkuhle der schlafenden Frau, die wie ergeben kopfüber auf der Bettkante hängt. Der Alb bringt ihr verbotene Träume, die sie scheinbar genießt. Wie besessen blickt sein Pferd durch den Vorhang in das Schlafzimmer. Durch den voyeuristischen Moment erhält die Szene einen Bühnencharakter, der uns als Betrachter in seinen Bann zieht.

„Was für eine Glut und Ingrimm in dem Menschen ist“, schwärmt Goethe 1775 über Füssli. Dessen entfesselte Bildwelt begeisterte auch Horst Janssen enorm. Das Spiel von Lust und Leid war ein Generalthema beider Künstler, deren Werke zweihundert Jahre auseinander liegen sind und dennoch enge Bezüge aufweisen. Mit einer Ausstellung vom 21. November 2015 bis 14. Februar 2016 setzt das Horst-Janssen-Museum in Oldenburg die Reihe von Janssens Zwiege­sprä­chen mit seinen „adoptierten Ahnen“ aus der Kunstgeschichte fort. Johann Heinrich Füssli ist ­einer der extravagantesten Vertreter europä­ischer Kunst um 1800. Der zunächst als evangelischer Prediger ausgebildete Füssli scherte sich nicht um bürgerliche Konventionen. Phantastische Geisterwesen wie Elfen, Hexen und Kobolde sind die Hauptakteure in seinen wirkmäch­tigen Bilderfindungen. Er zeigt hier das Dämonische, das sich zwischen Traum und Wirklichkeit unserer Seele bemächtigen will. Janssen antwortet auf Füsslis Werk mit der Radierfolge „Der Alp – Variationen zu Heinrich Füssli“. Von 1973 bis 1975 entstanden zahlreiche Varianten des Themas, die Janssens genüssliche Verfremdung Füsslischer Motive mit den eigenen Phantasien demonstriert. Die albtraumartige Stimmung wird bei Janssen durch markante Kontraste, dunkle Schatten und unheimliche Lichteffekte virtuos in Szene gesetzt. Initialzündung für Janssens Grafikserie war die 1973 von Gert Schiff erschienene Publikation über das Lebenswerk Füsslis. Der Kunsthistoriker Schiff wurde 1926 in Oldenburg geboren, hatte 1964 seinen Wohnsitz in die USA verlegt und lehrte dort bis zu seinem Tod 1990 an der New York University im Fach Kunstgeschichte. So ist die Ausstellung ein willkommener Anlass, den bis heute bedeutendsten Füssli-Forscher zu ehren. Zu seinem 25. Todestag lädt das Museum am 15. und 16. Januar 2016 zu einem internationalen Symposion ein, um die außergewöhnliche Forscherpersönlichkeit wiederzuentdecken. Museen in der Schweiz, Großbritannien und Deutschland unterstützen das Ausstellungsprojekt in großzügiger Weise. Die Leihgaben, berichtet die Kuratorin Dr. Sabine Siebel, kommen aus der National Portrait Gallery und dem Victoria and Albert Museum in London, dem National Museums Northern Ireland, aus dem Kunsthaus Zürich und der Kunsthalle Hamburg. Begleitend erscheint ein reich bebilderter Katalog.