„Konstellation“

Literatur trifft Wissenschaft

Das Literaturbüro Oldenburg gilt im Nordwesten als bedeutende Plattform für Literaturvermittlung und Schriftstellerförderung. Das Selbstverständnis zielt dabei auf Publikumsbeteiligung, Austausch und Erkenntnisgewinn. Ein neues Vorhaben der Institution stellt die Reihe „Konstellationen“ dar, die im Frühjahr 2014 begonnen hat. Viermal jährlich werden sich ein Schriftsteller und ein Wissenschaftler in einem Gespräch begegnen. Das jeweilige Thema wird aus dem vorgestellten Buch des Schriftstellers abgeleitet.  Mit dem neuen Format wird eine Verbindung von Literatur und Wissenschaft hergestellt, die Gegenwartsliteratur in kulturelle oder politische Zusammenhänge einbindet und auf das wachsende Bedürfnis der Gesellschaft trifft, sich mit aktuellen Themen des Zeitgeistes auseinanderzusetzen. Die Auftaktveranstaltung der neuen Reihe galt der Angst. Die Schriftstellerin Annette Pehnt hat dieses existentielle Gefühl literarisch ergründet. Ihr Lexikon der Angst ist wider Erwarten kein sachliches Nachschlagewerk, sondern eine Sammlung prägnant erzählter Kurzgeschichten über unsere Zwänge, Marotten und Phobien. Interessiert an der Vielstimmigkeit des Phänomens schuf Annette Pehnt Miniaturen, die zeigen, wie sich Ängste in den Alltag einschleichen – vor der Finanzkrise, vor Fahrstühlen, Hunden oder der Einsamkeit. Es sind keine weltbewegenden Ereignisse, die sie schildert, sondern kleine Dramen im Leben einzelner, deren Wirkung einem „Tsunami im Wasserglas“ gleicht. Als Vertreter der Wissenschaft wurde Hans Wedler zur Lesung eingeladen, Professor für Psychosomatik und Facharzt für Psychotherapeutische Medizin. Als Arzt betrachtet er das allbekannte Empfinden und dessen Quelle aus anderer Perspektive. Wedler beschrieb die Angst zunächst als gesunde Funktion, die jedoch das Leben beeinträchtigen kann, wenn sie pathologische Formen annimmt. Gegenüber Annette Pehnt diagnostizierte er die Zwänge ihrer Protagonisten, bis die Autorin schon selbst befürchtete, dass sie „ihre ­Figuren verteidigen muss, damit sie nicht zu Patienten werden“. Locker und humorvoll wurde das Gespräch von dem Philosophen Matthias Bormuth moderiert, Heisenberg-Professor für Vergleichende Ideengeschichte an der Universität ­Oldenburg und Erster Vorsitzender der Carl Jaspers Gesellschaft e.V. Letztere stellt den idealen Partner für das interdisziplinäre Projekt dar. Die in ­Oldenburg ansässige Gesellschaft möchte den Dialog der Wissenschaften anregen, so wie ihn Carl Jaspers als Philosoph und Mediziner selbst im Austausch mit den unterschiedlichen Disziplinen pflegte. In diesem Sinne gefiel den Gästen die spannende Konstellation. Mit dem Titel „Woran wir glauben“ gilt das nächs­te Zusammentreffen von Belletristik und Wissenschaft der Religion. Vorgestellt wird der Roman von Matthias Politycki „Samarkand Samarkand“, der mitten im Dritten Weltkrieg spielt. Zwischen den neuen Weltmächten, den Russen und Isla­misten, droht Europa die Zerstörung. Die Welt ist aus den Fugen geraten, doch die Eroberung eines geheimnisvollen Grabes verheißt noch Rettung. Wie erscheint der literarische Abenteuer- und Untergangsstoff vor dem Hintergrund der neueren Religionswissenschaften? Der Autor spricht darüber mit dem Theologen und Religionswissenschaftler Professor Dr. Dr. Christopf Auffahrt, der an der Universität Bremen lehrt. Die Veranstaltung findet am 14. Mai um 20 Uhr im Oldenburger Haus Wilhelm 13 statt, und angesichts des Erfolgs des ersten Abends der „Konstellationen“ muss zur Reservierung geraten werden.